Unterstützung für Familien

"Hauptsache gesund..." das ist einer der häufigsten Sätze, die werdende Eltern vor und kurz nach der Geburt ihres Kindes hören, doch was ist, wenn es anders kommt, als erwartet?

Es gibt Eltern, die bereits vor der Geburt erfahren, dass ihr Kind mit einer Beeinträchtigung oder Erkrankung auf die Welt kommt. Eine solche Diagnose bringt eine werdende Familie in einen Ausnahmezustand. Allein der Prozess der Diagnostik hinterlässt insbesondere bei den werdenden Müttern seine Spuren. Erst steht nur ein Verdacht im Raum, dann beginnt die Zeit des Wartens bis zu den nächsten Terminen und ein Untersuchungsmarathon beginnt. All die Vorfreude auf das neue Leben wird permanent getrübt von Ängsten des "Was ist wenn?".

Manche Familien erfahren jedoch erst nach der Geburt, dass ihr Kind vielleicht einen besonderen medizinischen Versorgungsbedarf hat oder es zeigt sich in den ersten Lebenswochen und Monaten, dass die Entwicklung nicht wie erhofft verläuft und viele Entwicklungsschritte lange auf sich warten lassen. Auch diese Zeit ist mit vielen Unsicherheiten, Ängsten und Sorgen verbunden. Viele Eltern merken unbewusst schon sehr früh, dass etwas "nicht stimmt". Sie durchlafen dabei eine Art Trauerprozess. Einige Eltern sprechen sich selbst Mut zu und klammern sich an den Gedanken, "dass es sich verwächst" oder nur eine "Phase sei". Häufig werden sie erstmals im Kindergarten auf die Entwicklungsbesonderheiten angesprochen und müssen sich aktiv damit auseinandersetzen, dass die Entwicklung ihres Kindes sich immer mehr von der anderer Kinder, unterscheidet. Dies erfordert ein hohes Maß an Sensibilität von Pädagog:innen und Fachkräften im Gespräch mit den Eltern. 

Andere Eltern agieren genau anders herum. Sie sind sehr früh auf der Suche nach Lösungen und Erklärungen für die Entwicklungsbesonderheiten ihres Kindes. Sie probieren verschiedene Therapien aus, gehen von Arzt zu Arzt und hoffen auf "Förderung und Heilung". Auch diese Eltern befinden sich anfangs in einer Art Verleugnungshaltung. Irgendwann- manche früher und viele auch erst, wenn es um das Thema Schule geht, realisieren die besonderen Bedarfe ihres Kindes. 

Der Realiesierung dieser Tatsache schließt sich eine Phase der Trauer an- die im Laufe des Lebens- in verschiedenen Lebensabschnitten und insbesondere bei Übergängen von einem Lebensabschnitt zum nächsten, immer wieder auftritt. Jede werdende Mutter und jeder werdende Vater hat bewusste und unbewusste Wünsche für sein Kind und malt sich dessen Zukunft aus. Steht jedoch fest, dass das eigene Kind von einer Behinderung oder schweren chronischen Erkrankung betroffen ist, geraten selbst die basalsten Zukunftswünsche ins Wanken und es tauchen viele Fragen auf. "Wird mein Kind je laufen können? Wird es jemals 'Mama`oder `Papa` sagen? Werden wir seine Bedürfnisse verstehen? Wird mein Kind ein selbstbestimmtes Leben führen? Wird es einen Regelkindergarten besuchen können? WIe werden die anderen auf mein Kind reagieren? In welche Schule wird mein Kind gehen? Welche Recht hat mein Kind? Wer kann uns helfen? Wer wird sich um unser Kind kümmern, wenn wir es nicht mehr können?..." 

Eltern in solchen Lebenssituationen brauchen gute Ansprechpartner, Anerkennung in der Gesellschaft, niedrigschwellige Hilfe und immer wieder Zeit zum Trauern, Durchatmen, Innehalten und Menschen die sie auf ihren Wegen begleiten, aber auch ihre Wege gehen lassen.

Sie brauchen Empathie und Verständnis. Ein Umfeld, dass sie wohlwollende und offen annimmt, ohne ständig den Fokus auf die Erkrankung oder Beeinträchtigung des Kindes zu legen. In erster Linie sind es nämlich liebende Eltern mit ihrem Kind. 

Als betroffene Mutter fand ich es immer besonders schlimm, wenn mich wild fremde Leute gefragt haben, was mein Kind hat oder was mit ihm "nicht stimmt". Fast noch schlimmer war es, wenn ich das Gefühl hatte, bemitleidet zu werden. Diese Erfahrung machte ich besonders häufig im ersten Lebensjahr, auch wenn ich weiß, dass es nicht böse gemeint war. Es war nicht das, was ich brauchte.

Durch meine Arbeit weiß ich, dass es in jeder Familie Herausforderungen oder herausfordernde Lebensphasen gibt. Vieles ist nur nicht sichtbar. Nicht so sichtbar, wie ein Kind mit einer Beeinträchtigung.

Ich hoffe, dass ich in dem einen oder anderen Artikel einige Fragen junger Familien von Kindern mit Beeinträchtigung oder chronischen Erkrankungen beantworten kann - vielleicht auch jene, die noch gar nicht präsent waren. 

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 "Mein Kind hat eine Behinderung"

Dieser Satz trägt so viel in sich. Viele betroffene Eltern brauchen sehr lange, um ihn überhaupt auszusprechen. Gesellschaftlich ist es immernoch so, dass sich der Begriff "Behinderung" wie ein Stigma anfühlt. Bei Eltern ruft er vor allem Zukunftsängste bezogen auf die Perspektiven ihres Kindes hervor. Auch wenn die Gesellschaft im Wandel ist und Themen wie Vielfalt und Inklusion immer mehr an Präsenz gewinnen, ist es für jede betroffene Familie ersteinmal schwer, das eigene "Anderssein" anzunehmen. Ein sensibler Sprachgebrauch von Fachleuten wie Ärzt:innen und Pädagog:innen spielt dabei eine ganz wichtige Rolle. 

Im pädagogischen Bereich, wo meist die ersten Anhaltspunkte einer Entwicklungsauffälligkeit deutlich werden, nutzt man meist beschreibende Begriffe, die das Verhalten und die Kompetenzen des Kindes in bestimmten Situationen verdeutlichen. Es ist wichtig, das Pädagog:innen wirklich auf der beschreibenden Ebene bleiben und Begriffe wie "ADHS" oder "Autismus" nicht als Verdachtsdiagnosen in den Raum stellen. Kinder werden dann viel zu schnell in "Schubladen" gesteckt und nur noch durch diese "ADHS"- Brille beobachtet und bewertet. Dies führt im schlimmsten Fall zu einer Stigmatisierung und wird dem Kind mit seinen vielfältigen Kompetenzen und Wesenszügen, nicht gerecht. Das Verhalten eines Kindes hat immer eine Ursache und muss aus verschiedenen Perspektiven genau ergründet werden. 

Im medizinischen Kontext werden Eltern sehr schnell mit konkreten Begriffen entsprechend der Diagnose konfrontiert. Meist ist es am Anfang noch eine "Globale Entwicklungsstörung", die sich im Verlauf der Diagnostik immermehr ausdifferenziert. 

Leider ist es so, dass wir in Deutschlands Bildungssystem vor einem großen sogenannten "Etikettierungs - Ressourcen Dilemma" stehen. Das bedeutet, dass Kindern nur Hilfe und Unterstützung gewährt wird, wenn eine Diagnose besteht. Daher werden Eltern mit dem Behindertenbegriff meist erstmals konfrontiert, wenn sie Unterstützung für ihr Kind suchen und diese in Form von Eingliederungshilfe beantragen. Ein Rechtsanspruch besteht nur "wenn das Kind von Behinderung bedroht oder betroffen ist". Doch dies trifft nicht auf jedes Kind, das beispielsweise heilpädagogische Begleitung oder Förderung benötigt, zu. (Dazu mehr unter dem Pinkt Inklusion). 

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Ab wann sprechen wir von einer Behinderung und ist der Begriff mit dem Begriff der Beeinträchtig gleichzustellen? 

Tatsächlich gibt es einen Unterschied zwischen den Begriffen, auch wenn sie im Alltag oft synonym verwendet werden. Der Begriff der Beeinträchtigung bezieht sich auf einen ganz konkreten, individuellen, körperlichen Aspekt eines Menschen. Es geht um das körperliche Merkmal, wie eine Hemiparese (Halbseitenlähmung), wodurch die Funktionsfähigkeit des Menschen bei bestimmten Handlungen beeinträchtigt ist. 

Laut UN-Behindertenrechtskonvention wird Begriff der Behinderung hingegen wie folgt definiert: Es gelten diejenigen Menschen als behindert, „die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können“ (UN 2006, Artikel 1). Demnach wird der Blick vom betroffenen amenschen weg gerichtet und der Fokus auf die gesellschaftliche Ebene und deren Barrieren für Betroffene gelegegt. Der Begriff der Behinderung ist demnach umfassender, da er die soziale Ebene mit einschließt.

Sprechen wir also von  Beeinträchtigung beziehen wir uns auf das Individuum und ein ganz bestimmtes Merkmal. Der Begriff der Behinderung ist hingegen ein Konstrukt, das die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen erfasst, die den Menschen mit der Beeinträchtigung "behindern" und in seiner Teilhabe einschränken. Dazu gehören beispielsweise  Bahnhöfe ohne Fahrstuhl, Gebäude ohne Rampen, unleserliche Texte, Schwimmbäder ohne Lift. 

 

 

 

 

 

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