Wut im Bauch 

„Nein!“ ist das Wort, das ich zurzeit am häufigsten zu Hause höre. Mein jüngster Sohn ist zwei Jahre alt und gerade mitten in der sogenannten Autonomiephase. Das bedeutet für unser Familienleben, dass schon morgens das Anziehen zu einer kleinen „Herausforderung“ wird. Mein Sohn will natürlich lieber Spielen, als sich anziehen (lassen) und läuft erstmal eine Runde durch die Wohnung und ruft „Nein, nein“. Sind wir dann irgendwann angezogen am Frühstückstisch, will er alles alleine machen und ist unheimlich wütend, wenn etwas nicht klappt. Aber Mama darf auf keinen Fall zu schnell ihre Hilfe anbieten, dann wird er richtig sauer.

So häufen sich die Situationen am Tag. Er möchte oft, dass ich mit ihm mitspiele, was ich auch sehr gerne tue, aber wehe ich setze den Baustein falsch oder mache etwas, das eigentlich er machen wollte. Dann ist es wieder da, dieses kleine Wutmonster, das „Nein, nein, nein“ ruft und alles durch die Gegend wirft.

Ich bin mir sicher, viele von euch kennen diese Situation. Deswegen möchte ich heute meine persönlichen Erfahrungen, gepaart mit einigen kleinen Erziehungstipps, mit euch teilen. Egal, ob sich euer Kind in der Autonomiephase befindet, oder einfach gerade eine Entwicklungsphase hat, in der ihr häufig mit Wut und Ablehnung euch gegenüber konfrontiert seid, müsst ihr euch immer eins sagen: Euer Kind ist nicht wütend und aggressiv, um euch zu ärgern.

Das „Nein“ zu euch, ist gleichzeitig ein „Ja“ zu sich selber und seiner wachsenden Ich- Identität. Kinder setzten dadurch Grenzen, nehmen sich selber mit ihren Bedürfnissen wahr und entwickeln ihre Persönlichkeit.

Oft ist für uns nicht ersichtlich, was eigentlich gerade genau das Problem ist und dadurch werden wir innerlich auch wütend, vor allem, wenn wir dem Kind eigentlich helfen wollen und Gutes tun möchten. Die Ablehnung, die die Kinder in dem Moment uns Eltern entgegenbringen, kann sehr schmerzhaft sein. Diese Gefühle machen traurig, wütend und auch ein stückweit ohnmächtig. Was kann man nun tun, um diese Situationen für alle Seiten leichter zu machen?

Versucht euer Kind gut im Blick zu haben, um besser erahnen, beobachten und verstehen zu können, was die Wut ausgelöst hat. Wenn die Wut eures Kindes herauskommt, versucht trotzdem für eurer Kind da zu sein, zu zeigen, ich bin für dich da und es ist okay, dass du jetzt wütend bist. (Ich weiß, das ist manchmal sehr schwer). Versucht euer Kind wertfrei sprachlich zu begleiten- ihm seine Gefühle zu übersetzen und ihm so die Worte für seine Gefühle zu schenken: „Ich sehe, du bist jetzt ganz wütend, weil du dir deinen Joghurt eigentlich allein aufmachen wolltest und es nicht geklappt hat“.

So zeigt ihr euren Kind, dass es in seinem Bedürfnis selbstständig zu sein, wahrgenommen wird. Besonders viel Feingefühl ist immer dann gefragt, wenn das Bedürfnis eures Kindes, nicht mit eurem Bedürfnis übereinstimmt. Zum Beispiel wenn ihr los müsst und euer Kind sich nicht anziehen möchte, weil es weiterspielen will. Wichtig ist, dass ihr immer rechtzeitig ankündigt, dass ihr gleich los wollt und euer Kind nur noch ein bisschen spielen kann. Wenn ihr es rechtzeitig ankündigt, könnt ihr die Frustration geringer halten und euch auch darauf berufen, wenn sich das Kind dann anziehen „muss“.

Kinder erfahren so eine gewisse Vorhersehbarkeit, erlernen eigene Bedürfnisse zurück zu stellen und dass es die Möglichkeit, von Kompromissen gibt. „Du darfst jetzt noch ein bisschen spielen, danach ziehen wir uns aber an und gehen los“. Wenn ihr jedoch merkt, dass die Wut in eurem Bauch wächst und das Verhalten eures Kindes bei euch so heftige Emotionen weckt, dass ihr kurz davor seid selber wütend und vielleicht sogar aggressiv zu reagieren, dann nehmt euch eine Pause. Geht aus der Situation, lasst das Kind in Ruhe. Atmet tief durch, zählt innerlich bis 40 und wenn die Möglichkeit besteht, überlasst jemand anderem die Situation (z.B. Partner).

Wut mit Gegenwut zu begegnen hilft nicht. Wenn ihr wütend werdet, erlebt das Kind euch als hilflos- und es lernt, dass Wut und Aggression scheinbar Lösungswege sind, aber genau das wollen wir ja eigentlich nicht. Es ist daher so wichtig, die Kinder in ihren Emotionen ruhig zu begleiten und alternative Verhaltensweisen, wie Kompromisse zu finden und manchmal auch eigene Bedürfnisse zu Gunsten anderer zurück zu stellen.

Das bedeutet aber nicht, dass ihr alles erlauben sollt. Ihr solltet für euch Grenzen und feste Regeln setzen, die dem Kind Orientierung geben. Eine klare Grenze sollte immer sein, dass Gewalt gegen Menschen und Zerstörung von Dingen keine Lösung sein kann. Eine weitere Grenze und Regel kann sein, dass das Kind nach dem 3. Mal Rufen kommen muss, oder nach der vereinbarten Spielzeit aufräumen muss, bevor es Fernsehen darf.

Wichtig ist, dass diese Regeln und Grenzen fest sind und nicht daran gerüttelt werden sollte. Es ist wichtig, auch darauf einzugehen, was euer Kind in der Situation des „Wutausbruchs“ an Begleitung braucht. Oft sind die Kinder mit Worten nicht zu erreichen, sprecht trotzdem ruhig mit ihnen. Sucht vorsichtig Körperkontakt und wenn ihr merkt, das Kind will gerade allein sein, lasst es alleine.

Viele sehr junge Kinder sind in diesem Moment von ihren Gefühlen so überwältigt, dass sie sogar sehr engen Körperkontakt suchen und bitterlich zu weinen anfangen. Haltet sie, seid für sie da, auch wenn euch eigentlich nicht danach ist, weil ihr euch selber gerade so geärgert habt. Kinder die Halt und Nähe suchen, müssen dies unbedingt bekommen, sonst fühlen sie sich im Stich gelassen. Bald werden eure Kinder sich selber regulieren können, bis dahin brauchen sie euch.

Es gibt auch Kinder, die schon die Fähigkeit hatten sich und ihre Gefühle zu regulieren, aber in bestimmten Phasen, wieder in kleinkindhaftes Verhalten verfallen. Vielleicht bemerkt ihr das momentan bei euren Vorschulkindern. Sie erreichen gerade eine Reife und Selbstständigkeit, die ihnen auch Angst machen kann.

Wenn das Verhalten eurer Kinder euch gerade zum Verzweifeln bringt, versucht einmal euch nur auf das Positive am Tag zu konzentrieren und jedes positive Verhalten bewusst wahrzunehmen und wenn möglich auch zu benenne: „Wie schön, dass du das schon alleine machst.“, „Du kannst aber tolle Häuser bauen…“ Wenn ihr euch wieder mehr auf das Gute konzentriert, wird das anstrengende Verhalten bald weniger werden. Positive Aufmerksamkeit (gesehen werden) ersetzt dann negative Aufmerksamkeit (Quatsch machen, um gesehen zu werden). Es ist wichtig, dass wir die Fassung bewahren und auf keinen Fall gewaltvoll reagieren.

Es kann immer passieren, dass wir mal laut werden, aber es darf nicht der Normalzustand sein und wir müssen uns dann auch entschuldigen können, denn auch da haben wir eine Vorbildfunktion. Ich bin inzwischen auch entspannter, da ich das morgendliche Spiel meines Sohnes schon kenne, plane ich immer genug Zeit ein. Mein Jüngster kann morgens noch seine „Nein, nein, nein“ - Runde im Schlafanzug durch die Wohnung drehen, ich bleibe entspannt und ich renne nicht hinterher. Ich atme tief durch und sage ihm: „Gut, dann gehe ich eben nochmal ins Bad und mache mich fertig“ jetzt ratet mal wer nach zwei Minuten neben mir steht und sich anziehen will, weil er Hunger hat? Mein kleiner Sohn. Denn das Weglaufen macht ihm so gar keinen Spaß und nun entscheidet er, zu mir zu kommen.

 

 

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